Die Diskussion um ein (bedingungsloses) Grundeinkommen (GE) gibt es seit etwa 20 Jahren. Dabei lehnen vor allem konservative (CDU, CSU, Freie Wähler) und rechte Parteien (afd) es fast durchweg und gänzlich ab. Nur wenige liberale Politiker können ihm etwas abgewinnen. Aber auch demokratische Parteien (wie SPD und Grüne) sehen es zumindest zwiegespalten, lehnen es aber mehrheitlich ab. Bei den Linken gibt es zwar eine größere Fraktion dafür, aber insbesondere alteingesessene Sozialisten sind in der Regel dagegen. Dennoch mehren sich Stimmen aus fast allen Parteispektren und auch unter Wirtschaftswissenschaftlern, die dem Ganzen aufgeschlossen gegenüberstehen oder es gar befürworten.
Bei dem jetzigen System zur Grundsicherung der Bevölkerung durch die Kombination von Bürgergeld, Arbeitslosengeld, Wohngeld, Kindergeld und anderen Leistungen handelt es sich um ein bürokratisches Monster, das bei Einführung des GE verschwinden und Ressourcen freisetzen würde. Nur leider befindet sich unsere Gesellschaft in einer Art Pfadabhängigkeit und es bedarf daher eines langen Atems, um diesen Weg neu einzuschlagen. Die Welt würde sich darüber am Ende die Augen reiben. Denn manchmal muss man einen Pfad, der in die Irre oder ins Verderben führt oder sich als Sackgasse erweist, verlassen, um weiterzukommen. Allerdings bedarf es natürlich der EINSICHT, sich auf so einem (falschen) Pfad zu befinden. Die Klimakrise steht hierfür exemplarisch.
Ein Grundeinkommen wird wohl bei dem derzeitigen Preisniveau mit etwa 1100,- bis 1200,- Euro als angemessen anzusiedeln sein. Dabei werden Kinder unter 14 Jahren vielleicht die Hälfte (550,-€) erhalten und Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr einen Betrag dazwischen. So ließe sich leicht errechnen, welche Summe Geldes die Gemeinschaft der Bürger durch Wertschöpfung über Steuern und Abgaben aufbringen müsste, um jedem Bürger diesen Betrag monatlich überweisen zu können. (Denn wir produzieren und wertschöpfen ja sehr vielmehr, als zu Befriedigung unserer Grundbedürfnisse nötig ist.)
Im Wesentlichen gilt es gegenüber den Gegnern drei Argumente zu entkräften.
Erstens: Mit Einführung des GE sinkt die Arbeitsmoral, viele legen sich auf die faule Haut und schaden der Volkswirtschaft und das Sozialprodukt sinkt. Insbesondere in systemrelevanten und unattraktiven Berufen wird es zur Berufsflucht kommen.
Zweitens: Das Grundeinkommen ist nicht refinanzierbar. Dies wahrscheinlich das Schlagkräftigste und es ist dennoch leicht zu entkräften.
Drittens: Wer nicht arbeitet und bedingungslos Geld bekommt, ist ein Schmarotzer. Zumindest die Bedingungslosigkeit wird infrage gestellt.
Fangen
wir mit dem Dritten an.
Wenn alle Bürger ein
Grundeinkommen erhalten, von dem sie leben und wohnen können, dann kann derjenige, der arbeitet oder Arbeit hat, eigentlich gar nicht mehr dem, der nicht arbeitet, vorwerfen, dass er ein
Schmarotzer sei, denn er erhält ja auch selbst das Grundeinkommen, wobei man vielleicht fragen darf, ob Superreiche es auch erhalten müssen.
Wer nun aufgrund von Krankheit oder Behinderung nicht arbeiten kann, muss nicht um Hilfe betteln, sondern ist relativ bürokratiearm abgesichert. Das wird die Versicherungsindustrie, Arbeitsamtsmitarbeitende oder Finanzbeamte und Steuerfachleute eher weniger erfreuen, denn dann wird sich kaum noch jemand bemüßigt fühlen eine entsprechende Lebensversicherung abzuschließen und der entsprechende geringere Bürokratieaufwand in Kombination mit der fortschreitenden Digitalisierung wird in vielen ähnlichen Branchen ihr Übriges tun. Zwar sind freiwerdende Arbeitsplätze kein Nullsummenspiel, aber es wird sich das Reservoir für die Bereiche erhöhen, die in sozialen oder Berufen mit Fachkräftemangel nach Arbeitswilligen suchen.
Hinsichtlich der Bedingungslosigkeit kann man tatsächlich geteilter Meinung sein. Wer von dem Erarbeitetem der anderen profitiert, ohne selbst und ohne triftigen Grund (s.u.) zu arbeiten, der darf sicherlich zu bestimmten Aufgaben verpflichtet werden, die vielleicht im Bereich Ehrenamt verortet sein könnten. Aber auch die Wahl einer kreativen (künstlerischen) Tätigkeit in neuen Formen von Freiberuflichkeit oder Selbständigkeit bieten sich hier an.
Kommen wir zurück zum ersten „Argument“.
Wer nun arbeiten kann und es auch will und es tut, und dabei können die Motive sehr unterschiedlich sein, der arbeitet in erster Linie für sich und in zweiter Linie für die Gemeinschaft, indem er durch diese Wertschöpfung Steuern in die Kassen der staatlichen Organe spült.
Wer
allerdings nicht arbeitet, obwohl er arbeiten könnte, ist entweder sehr reich (Erbschaft, Lotto-Gewinn) oder er hat ganz klare Gründe, warum er das nicht tut. Manchmal ist es eine Art Sabbatical,
eine interessengeleitete Fortbildung, eine längere Reise oder schlichtweg eine ehrenamtliche Tätigkeit.
Gleichwohl gibt es auch sehr wenig Menschen, die einfach nur faul sind oder zur Faulheit erzogen sind. (Von den Faulen wird es aber immer weniger geben, weil sie langfristig an ihrer eignen
Faulheit scheitern werden.)
Ein sehr
schlagfertiges Argument gegen das Grundeinkommen, dass nämlich die Arbeitsmoral sinken könnte, muss man sicherlich ernst nehmen. Ohne bestimmte Anreize steht zu befürchten, dass sich (zumindest
vorrübergehend) die „Arbeitsmoral“ verschlechtern könnte und es in bestimmten Branchen gewissermaßen zur Berufsflucht kommt, wie wir sie aber auch jetzt schon beispielsweise in den Pflegeberufen
sehen.
Wahrscheinlich würden viele Menschen sich insbesondere aus Berufen zurückziehen, die entweder schlecht bezahlt werden oder in denen die Arbeitsbedingungen eher schlecht sind.
Hinsichtlich Bezahlung kann man da nur sagen: Ja, dann werden solche Arbeiten endlich dadurch reizvoller, DASS sie besser honoriert werden. (Beispiele: LKW-Fahrer, Handwerker, Erzieher, Pflegekräfte, Reinigungskräfte, Hotellerie, etc.) Auch dadurch könnte die Einkommensschere wieder ein wenig mehr geschlossen werden! Endlich würde der Markt mal was richtig regeln!
Hinsichtlich Arbeitsbedingungen: Wäre das also nicht eine Chance, dass sich dort endlich mehr bewegt und verbessert? Eine Chance, dass sich Arbeit DOCH lohnt, weil sie Spaß macht oder einen erfüllt.
Was ist mit Argument Zwei?
All das lässt sich prognostizieren, berechnen und plausibel erklären. Die Argumente der Gegner des Grundeinkommens können bis hierher gut gekontert werden. Aber am Ende wartet noch deren Totschlagargument: „Das GE ist nicht refinanzierbar!“
Fakt ist
zunächst einmal, dass etwa 75 Prozent der notwendigen finanziellen Mittel bereits jetzt schon aus vorhandenen Ressourcen geschöpft werden können! So fallen die allermeisten Sozialleistungen weg
und können ins GE eingespeist werden.
Beispiele: Kindergeld, Erziehungsgeld, Arbeitslosengeld, Bürgergeld, Wohngeld, usw.
Ferner
könnte man getrost auf bestimmte Zuschüsse und Förderungen verzichten.
Beispiel: Dienstwagenprivileg, Steuerprivilegien verschiedener Art
Darüber hinaus könnte die Erhöhung der Einkommenssteuer weitere Mittel fördern und auf der anderen Seite die Schere zwischen arm und reich langsam schließen.
Um die
restlichen 25 Prozent zu refinanzieren, bieten sich weitere geeignete Mittel an, die bereits zum Teil in Planung oder gar Umsetzung sind.
Beispiele: höhere CO-2-Steuer (etwa 120Mrd Euro), Einführung der Vermögenssteuer (etwa 40 Mrd Euro), Erhebung der Erbschaftssteuer für Erbschaften ab 200.000,- Euro Bargeldvermögen.
Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer wird bei vielen Befürwortern ebenfalls diskutiert, könnte sich aber als kontraproduktiv erweisen und sollte – wenn überhaupt – moderat erfolgen.
Seriöse Quellen können aufzeigen, dass all dies geht, aber - wie gesagt - hier geht es um einen grundlegenden Pfadwechsel, dem viele Interessen insbesondere wohlhabender Schichten und deren Lobbyisten und Widerstände einer mehrheitlich unwissenden, beziehungsweise unaufgeklärten Bevölkerung entgegenstehen. Im Endeffekt käme es durch die skizzierten Maßnahmen zu einer Umverteilung der Geldvermögen von reich in Richtung Mittelstand und Unterschicht in einem ungefähren Gesamtvolumen von 250 Milliarden Euro. (Den Reichen würde endlich eine Schranke gesetzt.)
Die (sukzessive) Implementierung der oben aufgezeigten Beispiele erscheint durchaus geeignet, nicht nur die Haushalte von staatlichen Organen auf ein gesundes Maß zu bringen, sondern könnte noch jenseits der notwendigen Mittel für ein Grundeinkommen übersteigen. Eine Schuldenbremse würde quasi en passent eingehalten.
Angesichts der oben erwähnten Widerstände der breiten Bevölkerung wäre aber eine politisch initiierte Top-Down-Lösung nicht anzuraten. Um erfolgversprechend ein Grundeinkommen sicher zu implementieren, gibt es meines Erachtens drei Punkte (Schritte?) zu beachten.
An erster Stelle sollte der lange Kampf über die öffentliche, breite und wissenschaftsbasierte Argumentation weitergeführt werden. Aufklärung der Bevölkerung zu Refinanzierbarkeit und die Durchleuchtung korrupter Strukturen und der Geldströme der Reichen sind dabei ebenfalls unumgänglich.
Des Weiteren sollte es in vielen kleineren Projekten und Kontexten gezeigt werden können, DASS es funktioniert. (Präzedenzfälle!) Hier sind die Wissenschaften in besonderer Weise gefordert, aber auch private und parastaatliche Initiativen sind wünschenswert.
Eine Umsetzung sollte dann moderat und sukzessive aus der Bevölkerung erfolgen. Diese kann das in Wahlen stützen. Hierzu fehlt aber noch DIE Partei, die das GE zum Kern ihrer Programmatik erklärt.
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